Die verborgene Flotte

Die verborgene Flotte

Eine Recherche in Kooperation von investigate! und CORRECTIV

Text: David Schraven

Unsere Recherche begann vor über einem Jahr. Über den Fernseher flimmerten Bilder von einem Frachter, auf dem Schlepperbanden Flüchtlinge zu Hunderten über das Mittelmeer brachten. Das Schiff kam aus der Türkei und wurde vor Europas Küsten in Seenot zurückgelassen. Die Flüchtlinge mussten dort auf dem Frachter ausharren, bis sie von Italiens Küstenwache in einen Hafen gezogen wurden. Dann stolperten die Menschen über die Gangway hinab, etliche in Decken gehüllt. Eine humanitäre Katastrophe.

Doch uns bei CORRECTIV faszinierte bei einem zweiten Blick auf diese Bilder nicht das menschliche Elend. Sondern das Schiff selbst. Wer ist in der Lage, einen solchen Frachter zu beschaffen, ihn auszurüsten, zu bemannen und dann die Flüchtlingsströme mit ihm zu dirigieren?

Große Frachter, die hunderte Menschen aufnehmen können, sind teuer. Sie sind kompliziert zu unterhalten und zu steuern. Dann braucht man eine große Organisation, um die vielen Menschen an unwegsamen Küsten zu schaffen, sie an Bord zu bringen. Man braucht Geld und Einfluss.

Wer steuert eine solche Organisation?

Die Frage ließ uns nicht mehr los. Dann kamen die nächste Meldung: wieder wurde ein Frachter mit hunderten Flüchtlingen an Bord in Seenot aufgegeben. Und noch einer.

Wir sahen keinen einzelnen Frachter mehr. Wir sahen eine Flotte.

Eine Flotte, die vor unseren Augen agierte, die aber niemand als solche erkannte. Die Rede war von einzelnen Banden, die mehr oder weniger unkoordiniert agierten.

Doch Frachter in größerer Stückzahl zu besorgen, machte die Organisation dahinter größer und komplexer.

Wir wollten die Organisation enttarnen. Und machten uns auf den Weg.

Frachter hinterlassen Spuren. In den Häfen, in denen sie anlegen und betankt werden. In den Registern und Meldestellen, in denen ihre Eigner verzeichnet werden. In Zollämtern und bei Küstenwachen.  Wir wollten diesen Spuren folgen.

Uns war von Anfang an klar, dass dies eine komplizierte, internationale Recherche werden würde. Wir würden Quellen in Griechenland brauchen, in Italien, in Spanien. Wir würden Informationen aus Russland beschaffen müssen, aus der Ukraine, aus Rumänien, der Türkei und Arabien. Dabei ist eine solche Recherche riskant. Sie kann scheitern. Spuren können im nirgendwo verlaufen. Es gibt keine Garantie auf einen Erfolg.

Eine solch aufwändige Recherche ist alleine nicht zu stemmen. Wir brauchten Hilfe. Und fanden sie.

Der Verein investigate! e.V. erklärte sich bereit, uns mit Rat und Tat zu unterstützen. Mit einer großzügigen Spende ermöglichte er uns in Italien und Griechenland Kollegen vor Ort einzusetzen. Klaus Liedtke konnte uns mit seiner Erfahrung Tipps für die Umsetzung der Recherche geben. Dafür waren wir sehr dankbar.

Die Recherche führte uns zunächst in eine unscheinbare Datenbank: marinetraffic.com. Hier werden alle Funkdaten von Schiffen auf der ganzen Welt aufgezeichnet. Millionen und Aber Millionen an Datensätzen. Wir suchten die Daten der bekannten Frachter, suchten ihre Positionen und Routen. Wir entdeckten andere Schiffe, die über die gleichen Routen fuhren. Und Zusammenhänge. Die Eigner der Frachter waren Firmengeflechte, die auch andere Schiffe aussendeten. Und etliche der Kähne waren in illegale Aktivitäten verwickelt. Sie wurden mit Waffen an Bord gestoppt oder mit Drogen.

Wir erkannten: Auf See ist der Mensch nur eine Ware unter vielen. Die Schmuggler des Mittelmeers füllen ihre Frachter mit Drogen, Waffen – und Flüchtlingen. Egal was, Hauptsache es bringt Geld. Die Spuren des Schmugglernetzwerkes führte uns über Syrien und die Türkei bis nach Piräus und Hamburg.

Zu den Einzelheiten:

Die Merkur 1 wurde drei Tage vor Weihnachten 2014 von der italienischen Küstenwache mit etwa 600 Flüchtlingen vor der sizilianischen Küste aufgebracht.

An Silvester 2014 wird die Blue Sky M im Hafen von Gallipoli vertäut, am Absatz des italienischen Stiefels, an Bord: über 800 Flüchtlinge.

Am 2. Januar 2015 gegen 23 Uhr bringt die italienische Küstenwache den Frachter Ezadeen in den Hafen von Corigliano Calabro in Süditalien. An Bord des Schiffes sind 350 Flüchtlinge.

 

Wer steckt dahinter?

Die Merkur 1, die Blue Sky M, die Ezadeen: Das sind keine Schlauchboote, die jeder bedienen kann. Das sind Schiffe, die zum Fuhrpark großer Reedereien zählen. Frachter, zwischen 60 und 100 Meter lang, die alles zwischen dem Gibraltar, dem Schwarzen Meer und dem Indischen Ozean transportieren. Holz, Vieh, Getreide. Oder Flüchtlinge.

Man braucht Buchhalter, die die Papiere der Schiffe in Ordnung halten. Scheuerleute, um sie sie klar zu machen. Mechaniker, die ihre Motoren anwerfen. Kapitäne, die sie über das Meer steuern.

Die Spur zu den Hintermännern des Geschäfts führt uns über die Datensätze. Wir sehen, wo die Frachter anlegen, wo sie tagelang scheinbar orientierungslos im Meer treiben. Wir können den Frachtern durch den Suez-Kanal bis zu den Häfen des Sudan folgen,  bis vor die Küsten des Iran, wo sie plötzlich verschwinden – wohl, weil ihre Transponder abgeschaltet wurden. Später finden wir sie wieder vor den Küsten Libyens, Marokkos oder Spaniens.

 

Das Odessa-Netzwerk

Auffällig ist zum Beispiel der Frachter Ahmad Prince. Vom russischen Schwarzmeerhafen Novorossiysk, bekannt als Umschlagsplatz für Waffen, aus bricht er auf in den syrischen Hafen Tartus, einer Hochburg des Assad-Regimes. Hier hat die russische Marine ihre wichtigste Basis im Mittelmeer. Einige Kilometer entfernt liegt die winzige Insel Arwad. Noch heute stammen die wichtigsten syrischen Reederfamilien von hier. Dies sind die Säulen, auf denen die Macht der Assads heute noch fußt.

Experten sprechen vom „Odessa-Netzwerk”, wenn sie den Waffenschmuggel im Schwarzen und im Mittelmeer meinen: einen losen Zusammenschluss von Reedereien aus Russland, der Ukraine und Syrien. Sie bringen Waffen und Munition aus dem Schwarzen Meer nach Syrien, zu den Milizen in Libyen und in Somalia. Auf dem Rückweg transportieren sie Munition aus den Fabriken des Sudan nach Syrien. Seit Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs ein lohnender und kaum kontrollierter Markt.

Operation „Tiefes Meer“

Im Jahr 2013 schließen sich Drogenfahnder aus Italien und Spanien zusammen. Sie wollen marokkanischem Haschisch nicht erst an Land hinterherjagen, sondern es bereits auf dem Meer abfangen. Sie nennen ihre Operation „Mar de Fondo“. Und auch sie stoßen bald auf eine merkwürdige Veränderung: Bis 2013 kommt das Haschisch zumeist an Bord kleiner Schiffe nach Europa, in wendigen Schlauchbooten und unauffälligen Fischerkähnen. Doch dann, am 18. April 2013, beschlagnahmen italienische Behörden auf einen Schlag 20 Tonnen Haschisch – an Bord des Frachters Adam, aufgebracht bei der Insel Pantelleria, südlich von Sizilien.

Insgesamt 16 große Frachtschiffe bringen die Spezialeinheiten der Operation „Mar de Fondo“ binnen zwei Jahren auf. An Bord: insgesamt 250 Tonnen Haschisch.

 

Neue Waren, neue Routen

Von seinem schweren Schreibtisch aus Kirschholz aus koordiniert Oberst Pino Colone, die internationalen Einsätze der italienischen Drogenfahndung. Er ist ein Zahlenmensch in einem eleganten, grauen Anzug. Jahrzehnte lang hat er den Geldwäschern der organisierten Kriminalität nachgespürt. Nun leitet er die italienischen Operationen von „Mar de Fondo“.

Seit Libyen zerfällt, ändern sich die Drogenrouten, berichtet Colone. „Die Schmuggler haben Libyen zu einem Depot für Haschisch gemacht“, sagt er. Colone schätzt, dass in Libyen etwa 1000 Tonnen Haschisch gelagert werden. Bei einem Großhandelspreis von 700 Euro pro Kilo entspricht das einem Gesamtwert von etwa 700 Millionen Euro.

„Die Schmuggler-Netzwerke haben aus dem Mittelmeer eine Autobahn für jede Art von illegaler Ware gemacht“, sagt Colone. „Sie transportieren Drogen, Waffen oder Flüchtlinge. Aber es könnte auch Giftmüll oder sonst etwas sein.“

Der Frachter Adam – auf dem die Ermittler den ersten großen Haschischfund machten – steht anderthalb Jahre später erneut im Rampenlicht. Nun steht der Name Zain auf den rostigen Rumpf gepinselt. Am 10. Dezember 2014 wird er von der italienischen Küstenwache in den Hafen von Augusta geschleppt, auf Sizilien. An Bord: fast 400 Flüchtlinge.

Von den 16 in der Drogen-Operation „Mar de Fondo” aufgebrachten Schiffen steht etwa die Hälfte mit Firmen in Verbindung, die auch im Waffen- und Flüchtlingsschmuggel auftauchen. Die italienischen Ermittler sagen, dass die Schmuggler einige der Schiffe in Nordeuropa aufgekauft haben und teilweise im Hamburger Hafen für ihren Schmuggeleinsatz vor Nordafrika überholt haben.

Eine mysteriöse Reederei

Vier Schiffe, eine Reederei: Im Juli 2014 wird der Frachter Zakmar bei Lampedusa aufgebracht. An Bord: sieben Tonnen Haschisch.

Mitte November wird die Captain Samin in einen Hafen auf Sizilien geschleppt. An Bord: knapp 600 Flüchtlinge.

Im September 2015 wird die Haddad 1 vor Kreta von der Küstenwache gestoppt. An Bord: 5000 Gewehre.

Und die oben erwähnte Ahmad Prince, unterwegs auf der Odessa-Route – diese vier Schiffe haben eines gemeinsam: Sie wurden betrieben von einer Reederei namens IMS Hellenic. So steht es in den Schiffsdatenbanken.

Piräus, Griechenland

Wem gehört die Reederei? Eine simple Frage, sollte man meinen. Aber nicht in der Schifffahrtswelt. Die IMS Hellenic ist auf den Marschall-Inseln registriert. Im dortigen Handelsregisterauszug ist ein Strohmann als Besitzer eingetragen. Einzig die Schiffsdatenbanken geben eine Adresse her: die Straße Filellinon 9 in 18536 Piräus.

Die Gegend ist heruntergekommen, offene Müllcontainer und wild geparkte Autos versperren die Bürgersteige. Im Foyer des Hauses sitzt ein älterer Mann hinter einem leeren Schreibtisch. Er hat kurze, graue Haare. Seine ausgemergelten Schultern lassen seine dicke Nase noch größer wirken. Ein Mann, der Ärger riecht. Wir fragen nach IMS Hellenic. „Die Firma gibt es hier nicht“, knurrt er.

Ein junger Mann kommt dazu. Er scheint offener zu sein, will etwas über IMS Hellenic sagen. Schnell entwickelt sich ein Wortgefecht zwischen den beiden. Bis der Alte sagt: „Diese Firma ist vor neun Monaten hier ausgezogen.“ Offenkundig ein Ablenkungsmannöver, denn in aktuellen Einträgen gibt IMS Hellenic immer noch diese Adresse an. Wir werden rausgeschmissen.

Ein syrischer Geschäftsführer

Wir kommen ein zweites Mal wieder. Wir hatten Telefonnummern verglichen – und herausgefunden: Die Nummer von IMS Hellenic ist zugleich die des griechischen Geschäftsmannes Samir Moussa. Er hat sein Büro im gleichen Haus. Dieses Mal ist der grimmige Wachmann nicht im Foyer. Wir gehen die Treppe hinauf. Die Flure sind verdreckt. Papier liegt auf dem Boden. Kleine Büros reihen sich aneinander. Bei einigen stehen Firmennamen an der Tür, bei anderen nicht. Wir klingeln bei Moussa Shipping – doch keiner reagiert. Wieder kommen wir nicht weiter.

Wir haben noch eine dritte Spur verfolgt. 2013 wurde der Frachter Hesen Moon in Norditalien festgehalten, weil Sicherheitsstandards nicht eingehalten würden. Zuständig für die Sicherheit: die Reederei IMS Hellenic. In den Papieren, die der Hafenbehörde vorgelegt wurden, ist als Geschäftsführer ein gewisser Talaat Hejazi eingetragen. Er stammt aus der syrischen Hafenstadt Tartus, der Hochburg des Assad-Regimes. Die Verbindung zwischen Hejazi und der Reederei IMS Hellenic ist unübersehbar: Einmal hat er eine Webseite registriert und jene Telefonnummer angegeben, die offiziell zu IMS Hellenic in Piräus gehört.

Könnte es sein, dass IMS Hellenic eine Tarnfirma ist? Dass ein syrisches Schmuggelnetzwerk diese legale Hülle benutzt, um Waffen, Drogen, Flüchtlinge zu verschieben – mit offiziellem Firmensitz in Piräus, Griechenland?

 

Versteckt hinter Strohmännern

Warum ist es so schwer, zu den Hintermännern des Schmuggels vorzudringen? Die Schmuggler registrieren ihre Reedereien als Briefkastenfirmen in einschlägig bekannten Steuerparadiesen, in Panama, auf den Marschall-Inseln oder im US-amerikanischen Bundesstaat Delaware. Sie können einen Strohmann als Besitzer eintragen.

CORRECTIV ist bei seinen Recherchen auf Dutzende dieser Firmen in Steuerparadiesen rund um die Welt gestoßen. Viele Schiffsbesitzer gründen für jeden Frachter eine neue Briefkastenfirma. Ständig wechseln die Kähne von einer Firma in die nächste. Staatsanwälte zielen vor allem auf die Crews der aufgeflogenen Frachter, nicht auf die Hintermänner des Schmuggels. Denn Staatsanwälte müssen an Landesgrenzen halt machen. Bis ihre Hilfsgesuche an Ermittler in anderen Ländern beantwortet sind, haben die Schmuggler schon neue Firmen gegründet. Ermittler sagen, dass einige Länder wie der Libanon überhaupt nicht auf ihre Bitten um Hilfe reagieren.

Neben den bekannten Steuerparadiesen spielt auch Griechenland eine wichtige Rolle bei der Vernebelung der Schifffahrt. Das Land schützt seine vermögenden Reeder. Sie müssen mit ihren Reedereien nicht im allgemeinen Handelsregister registriert sein. Wer im Schifffahrtsministerium um Auskunft aus dem Reedereiregister bittet, wird abgewiesen.

Eine Hochburg von Assad

Viele Spuren führen nach Tartus – der Hochburg des Assad-Regimes.

Als der Frachter Ezadeen in Mersin mit Flüchtlingen beladen wurde, wurden die nummerierten, 5.000 US-Dollar teuren Fahrkarten nach Europa in einer Wohnung neben einer Polizeistation verkauft. Einer derjenigen, der den Menschenschmuggel organisierte, war der Syrer Ramez Bahlawan. Er gab in Mersin laut einem Augenzeugen die Fahrkarten aus – und stempelte sie ab. Syrern aus der Türkei zur Ausreise zu verhelfen ist dort allerdings nicht unbedingt strafbar. Ramez Bahlawan stammt von der syrischen Insel Arwad, unweit der Hafenstadt Tartus. Auch die Fahrt der Ezadeen wurde vom dortigen Schmuggelnetzwerk organisiert.

Im November 2013 stoppt die griechische Küstenwache vor Rhodos den Frachter Nour M. An Bord 30 Millionen Schuss, von der Ukraine aus vermutlich auf dem Weg nach Syrien. Schon die Liste der früheren Besitzer und Betreiber der Nour M in Schiffsdatenbanken liest sich die Liste wie ein Who-is-Who der syrischen Schmuggler. Etwa: Mohammed Khafaji, 2012 vor dem Libanon mit einem Frachter aufgeflogen, der ein komplettes Waffenarsenal geladen hatte, Gewehre, Raketen, Sprengstoff, Minen.

Doch für die Nour M liegen CORRECTIV auch die Frachtpapiere sowie weitere Unterlagen vor. In einem Inspektionsbericht des Hafenmeisters von Rhodos wird unter anderem ein Majed Markabi als Besitzer des Schiffs genannt. Die Markabis sind eine der Reederfamilien von der syrischen Küste. Mit ihnen sowie weiteren Geschäftsleuten steht in sozialen Netzwerken auch Talaat Hejazi in Kontakt.

Das Netzwerk der Schmuggler

Das Netzwerk der syrischen Schmuggler, auf das CORRECTIV gestoßen ist, besteht aus etwa fünf Reederfamilien. Ihre Verbindungen und Firmen erstrecken sich über das gesamte östliche Mittelmeer zwischen der Türkei, dem Libanon, Ägypten und Libyen und bis hoch ins Schwarze Meer. Denn einige von ihnen stammen auch aus dem rumänischen Schwarzmeerhafen Constanta. Der syrische Bürgerkrieg hat auch sie in alle Himmelsrichtungen verstreut. Sie leben jetzt in unter anderem in Dubai, in Schweden und halten sich teilweise auch in Deutschland auf.

Diese Reeder transportieren nicht nur illegale Waren, sondern auch alltägliche Güter wie Zement, Weizen oder Maschinen. Doch sie beherrschen eben jene Logistik, die auch Schmuggler nutzen. Eine ihrer legalen Hüllen, ihr Front Office, ist die dubiose Reederei IMS Hellenic in Piräus. Eine Scheinfirma, registriert auf dem Pazifik-Atoll der Marschall-Inseln. So schützen sich die Schmuggler vor Staatsanwälten – und Reportern.

Welche Rolle spielt Assad?

CORRECTIV hat bisher keine Belege für eine direkte Verbindung der Schmuggler zum Assad-Regime gefunden. Doch ihre Präsenz in der Hafenstadt Tartus spricht für eine gewisse Nähe. Einige von ihnen erklären auf Facebook ihre Unterstützung für das Regime. Autokraten in der arabischen Welt kommen oft ohne direkte Beteiligungen an Unternehmen aus: sie erwarten Loyalität und finanzielle Abgaben als Gegenleistung dafür, dass ein Unternehmer ein bestimmtes Geschäft betreiben darf. Und das Geschäft der Schmuggler, der Schmuggel von Waffen in die Region und der Transport von Flüchtlingen aus dem Land nutzt auch dem Regime in Damaskus.

Majed Markabi wollte sich gegenüber CORRECTIV am Telefon nicht äußern. Die anderen Beteiligten streiten die Vorwürfe ab. Mohammed Khafaji sagt, dass er von der Waffenfracht auf seinem Schiff nichts gewusst habe. Talaat Hejazi sagt, dass er seit einem Jahr nicht mehr für IMS Hellenic arbeitet. Der Geschäftsmann Samir Moussa streitet jede Beziehung zu der Firma ab. Ramez Bahlawan sagte, dass er in der Türkei nicht in den Flüchtlingsschmuggel involviert war. Er bestreitet, Markabi zu kennen, obwohl sie in sozialen Netzwerken in Verbindung stehen.

Epilog

Die EU-Grenzbehörde Frontex, die das Mittelmeer überwacht, sagt, dass vorerst keine Flüchtlingsfrachter mehr kommen werden. Die Türkei habe bei der Überwachung ihrer Küste einige Monate lang nicht aufgepasst, das sei nun anders. Es sei alles unter Kontrolle.

Tatsächlich ist auf dem Mittelmeer aber nichts unter Kontrolle. Reedereien wie IMS Hellenic beschaffen sich immer neue Schiffe. Sie gebieten über ganze Flotten, die im Verborgenen arbeiten. Die Briefkastenfirmen der Schmuggler sind jenseits der Reichweite von Frontex. Auch von Staatsanwälten haben sie nichts zu befürchten. Die Nachfrage nach ihren Frachtern ist groß. An den Stränden von Libyen warten tausend Tonnen Haschisch auf die Überfahrt nach Europa. Die Reeder liefern die Munition für den blutigen Bürgerkrieg in Syrien und transportieren die Flüchtlinge aus dem Libanon und der Türkei. Einige der Schmuggler haben zwar ihre Stützpunkte in der Türkei aufgegeben, aber sie arbeiten jetzt von Ägypten aus.

Von Ägypten oder aus dem benachbarten Libyen könnten in diesem Winter schon bald die nächsten Flüchtlingsfrachter kommen.

DANKE!!

Neben investigate! haben uns bei dieser Recherche weitere Reporter aus ganz verschiedenen Ländern geholfen. Die afrikanische Journalistenorganisation ANCIR recherchierte in Handelsregistern vor Ort. Die Organisation Arab Reporters for Investigate Journalism (ARIJ) half bei Recherchen in Syrien. Die Journalisten Yannis Souliotis von der griechischen Zeitung Kathimerini sowie Rene Alfaro von der Fernsehsendung Ojo Critico aus Honduras trugen zu den Recherchen bei.

Unsere Recherche wurde in Kooperation mit dem „RTL-Nachtjournal“ und der Seite Drei des „Tagesspiegel“ veröffentlicht. Versionen der Arbeit erschienen in der italienischen Zeitung Il Fatto Quotidiano sowie der griechischen Zeitung Kathimerini.

 

Der Filmbeitrag dazu auf RTL